Dienstag, 23. Oktober 2012

Der Beginner Cup - Die Welt des Schmerzes

Frisch gebackener Golfamateur mit Platzreife - yeah!

Am Morgen des 15.09.2012 war dies beim Aufwachen tatsächlich mein erster Gedanke. "Autsch", nur unflätiger ausgedrückt, war mein zweiter als ich mich herumdrehte, um aufzustehen. Es stach heftig in der rechten vorderen Rippengegend.

Als ich darüber nachdachte, fiel mir auf, dass ich ein leichtes Ziehen in dieser Gegend erstmals beim dritten Kurstermin am Mittwoch zuvor gespürt hatte, nach einem etwas verunglückten Schwung auf der Driving Range. Vermutlich hatte ich mir eine leichte Zerrung zugezogen, die sich infolge der Belastungen am Vortag durch Prüfung und anschließende "Ehrenrunde" verschlimmert hatte.

Nur kurz überlegte ich, ob es sinnvoll sei, aufgrund einer solchen Verletzung mein allererstes Golfturnier abzusagen und die 30.-€ Startgeld einfach abzuschreiben. Das ging mir gegen den Strich, nicht so sehr das Geld, vielmehr die Schmach. Es hätte wie Angst ausgesehen.

Also machte ich mich gegen kurz vor 9 Uhr mit meinem Schwager auf den Weg nach Wall. Dort angekommen hatten wir gerade noch ein halbes Stündchen Zeit, uns einzuschlagen, ehe wir zu unseren Abschlägen mussten. Wir waren leider nicht im selben Flight eingeteilt und starteten an unterschiedlichen Löchern. Es handelte sich um ein Turnier mit sogenanntem Kanonenstart, dass heißt, alle Löcher waren, teilweise sogar mit zwei, in 10minütigem Abstand nacheinander startenden Flights á 4 Personen besetzt und nach einem lauten Knall, einschließlich dazu gehöriger Rauchfahne vor dem Clubhaus, wurde an allen Abschlägen zeitgleich gestartet. Von dort rotierte man dann über die 9 Löcher, bis man seine Runde am Loch vor dem eigenen Start - Loch beendete.

Als ich auf der Driving Range meine ersten Abschläge versuchte, betrat ich, wie es in einem Film, den ich sehr schätze, so poetisch ausgedrückt wurde, "die Welt des Schmerzes". Schon nach wenigen Schlägen fühlte sich die rechte Seite mindestens so unangenehm wie am Ende des Vortages an und zusätzlich irgendwie entzündet. Kein Schritt, kein Atemzug und schon gar kein Schwung war mehr möglich, ohne einen zunächst stechenden und dann reißenden Schmerz. Das Ganze befand sich auf einem noch aushaltbaren Niveau aber wenn ich ehrlich bin, war mir zu diesem Zeitpunkt klar, dass eine Turnierteilnahme eine grobe Dummheit wäre.

Ich konnte trotzdem nicht anders - scheiß falsches Ehrgefühl!

Auf dem Weg zu meinem Abschlag am Loch 8 sorgte eine reichliche Adrenalinzufuhr für eine leichte Betäubung der Schmerzen, was ich irrtümlich für ein Abklingen hielt. Am Abschlag warteten bereits zwei meiner Mitspieler. Es handelte sich um zwei gut gelaunte, sympathische Menschen, Vater und Sohn. Den Sohn schätzte ich knappe 10 Jahre jünger als mich selbst (meine Schätzungen hinsichtlich meines eigenen Alters fallen bei mir oftmals überraschend genau aus, zurzeit schätze ich mich auf etwa 40), den Vater entsprechend älter, er war vielleicht Anfang 60. Beide waren mir von meinem Pro Ronny bereits als sehr nette Typen in Aussicht gestellt worden, die bei ihm auch erst kürzlich die Platzreife gemacht hätten und mit denen ich auf der Runde mit Sicherheit Spaß haben würde. Er hatte sich bei meiner Anmeldung für den Cup sogar ausdrücklich bemüht, mich mit den beiden in ein Flight zu bringen, da er um meine Unsicherheit wusste, mich vor Wildfremden gnadenlos zu blamieren und mir daher zwei Leute mit auf die Runde geben wollte, bei denen ich mich nicht sorgen musste.

Der vierte Mann im Bunde hatte ein bereits um einiges besseres Handicap (HC) von -44 und war ein hochrangiger Angestellter des auswärtigen Amtes. Auch er war jedoch auf Anhieb sehr sympathisch, stellte sich auch sogleich mit seinem Vornamen anstelle des ebenfalls zu ihm gehörenden Doktortitels vor und dämpfte vorsorglich unsere Erwartungen in sein Spiel ob seines aus unserer Sicht guten HC. Er berichtete, dass er seit etwa 2 Jahren die Platzreife besitze, auch immer wieder einmal spielte, bislang jedoch nur einmal, 14 Tage zuvor, an einem vorgabewirksamen Turnier teilgenommen hätte. Dabei hätte er sich dann gleich um 1o Punkte unterspielt, was die Verbesserung seines HC in einem großen Schritt bewirkt habe. Der gute Mann war sich offenbar noch überhaupt nicht dessen bewusst, welche Auswirkungen eine zweijährige Spielpraxis auf die Konstanz seines Spiels hatte, sondern ging vielmehr davon aus, es sei vor 2 Wochen einfach alles perfekt und mit einer gehörigen Portion Glück für ihn gelaufen...

Ebenfalls am 8. Loch stand ein weiteres Flight, das 10 Minuten nach uns starten sollte. Die Herrschaften fingen auch sogleich damit an - wenn es auch sicher scherzhaft gemeint war - etwas "Druck" aufzubauen, indem sie uns ermahnten, nur ja zügig zu spielen, damit sie nicht so lange auf uns würden warten müssen oder sie ggf. überholen zu lassen. Wir lachten pflichtschuldigst, ich bekam noch etwas mehr Panik.
Aufgrund seines besseren HC hatte unser Herr Doktor die Ehre des ersten Abschlags. Es handelte sich um PAR 5 - Loch mit über 500 Metern Länge. Passend dazu griff mein Mitstreiter nach seinem Driver und zimmerte den ersten Abschlag mal eben lässig um die 200 Meter weit. Nun rutschte mir endgültig das Herz in die Hose. Von meiner Verletzung sagte ich trotzdem nichts, weil ich nicht in Verdacht geraten wollte, bereits vorab nach einer Ausrede zu suchen, falls ich schlecht spielte. Es folgten der Sohn und der Vater, ich machte beim Abschlag das Schlusslicht. Auch der Sohn benutzte den Driver und brachte den Ball genauso gute vom Tee wie unser Doktor. Papa benutzte, wie ich, ein 7er Eisen und schlug damit zumindest 100 Meter weit in die richtige Richtung. Nun kam mein erster Auftritt.

Ich bemühte mich, zu der Konzentration zu finden, die ich bei meiner Generalprobe, genau eine Woche zuvor, so spielend vor jedem Schlag auf dem Familyplatz erreicht hatte. Keine Chance, ich hörte jedes Geräusch um mich herum, vor allem das leise Geraune meiner Mitspieler und des nach uns spielenden Flights. Es gelang mir kein bisschen, mich davon frei zu machen. Im Aufschwung kam dann wieder der stechende Schmerz in meiner Seite hinzu, so dass ich den Schläger vor dem Abschwung komplett verriss. Der Ball flog ca. 50 oder 60 Meter weit, allerdings nicht geradeaus, sondern rechts ins Rough, das aus hohem, ungemähten, vertrockneten Gras bestand. Ich bildete mir ein, vom Abschlag aus ganz gut erkannt zu haben, wo der Ball ins Rough geflogen war, so dass ich ihn von dort würde weiterspielen können. Nachdem ich die Distanz zurückgelegt und im Rough angekommen war, war natürlich keine Spur meines Balles mehr zu entdecken. Meine Mitspieler zeigten keinerlei Ungeduld und versuchten sogar noch, mir bei der Suche zu helfen. Umsonst. Natürlich hatte ich keinen provisorischen Ball nachgeschlagen, den ich nun unter Inkaufnahme eines Strafschlages hätte weiterspielen können. So hätte ich das Loch eigentlich bereits an dieser Stelle beenden müssen, da man auf dem Kurs eigentlich nicht mehr zurückgehen darf. Wir waren uns auch nicht mehr sicher, ob ich den Ball an der Stelle, an der er ins Rough geflogen war, hätte droppen dürfen und dafür einen Strafschlag hinzu zählen. Daher überredeten sie mich, einfach noch einmal einen Ball vom Abschlag zu spielen. ich beeilte mich also, wieder zum Abschlag zurück zu kommen, das nachfolgende Flight murrte bereits, obwohl ihre Startzeit noch 6 Minuten in der Zukunft lag. Nun stand ich wirklich unter Druck.

Ich teete den Ball auf und schlug erneut.

Der Ball landete vielleicht 5 Meter von der geschätzten Stelle entfernt, an der der erste Ball ins Rough geflogen war, ebenfalls im Gemüse. Für mich war das Loch damit gelaufen. Der Papa unter meinen Mitspielern suchte den Ball allerdings noch während ich - die Schamesröte im Gesicht und eine unglaubliche Frustration ob dieses Auftakts im Herzen - wieder zu meinen Mitstreitern lief und fand ihn tatsächlich ehe ich da war. Ich musste also erneut schlagen, da mein Ball ja die weiterhin größte Entfernung zur Fahne aufwies. Die beiden Abschläge und den dazugehörigen Strafschlag gerechnet, kam nun also bereits mein 4. Schlag und das aus dem tiefen Rough. Der Ball hoppelte dann auch erwartungsgemäß etwa 7, 8 Meter weit durch das Rough, ohne es zu verlassen und blieb liegen. Auch mit Schlag Nr. 5 war ich also sofort wieder dran und wieder aus dem Rough, während meine Mitspieler noch immer geduldig auf ihre Möglichkeit warteten, endlich ihren zweiten Schlag zu machen. Dabei redeten sie mir weiterhin gut zu und versuchten, mich zu beruhigen, während ich darüber nachdachte, wann wohl auf der Bahnstrecke neben dem Golfplatz der nächste Regionalzug vorbei käme und ob ich es bis dahin wohl auf die Gleise schaffte...

Mein fünfter Ball verließ tatsächlich das Rough und landete, 30 oder 40 Meter weiter auf dem Fairway, so dass unser Ältester als nächstes dran war. Danach allerdings sofort wieder ich, denn die Bälle des Sohnes und des Doktors lagen noch immer deutlich näher zur  Fahne. Den genauen Verlauf des restlichen Loches kann ich nicht mehr wiedergeben, ich weiß nur noch, dass ich noch immer etwa 100 Meter vom Grün entfernt war als ich nach meinem neunten Schlag entnervt den Ball aufnahm, weil ich mit weiteren Schlägen nicht mehr hätte punkten können und einfach nur noch im Boden versinken wollte.

Das zweite Loch war ein PAR 3 über ein quer über den Platz verlaufendes, frontales Wasserhindernis, welches sich allerdings nur als knapp ein Meter breiter Graben herausstellte. Mein Abschlag blieb noch deutlich einige Meter vor dem Graben liegen. Mit dem zweiten Schlag gelangte ich aufs Grün, allerdings am hinteren Ende, während die Fahne ganz vorne gesteckt war. Ich hatte also einen ersten Putt über etwa 12 Meter, dazu noch bergab zu realisieren. Der Ball ging über die Fahne deutlich hinaus und rollte weiter bergab aufs Vorgrün. Von dort puttete ich erneut und bekam die Distanz diesmal relativ gut hin, nur die Richtung stimmte überhaupt nicht. Ich brauchte dann noch weitere unglaubliche 4 Putts aus kurzer und kürzester Distanz, bis ich diese miese kleine weiße Kugel endlich in ihrem Loch untergebracht hatte - erneut kein Punkt.

Damit waren wir am 9. Loch fertig und somit am 1. angekommen, von wo aus wir nunmehr noch bis zum 7. weiter spielen mussten. Inzwischen hatte ich mich auch durchgerungen, von meiner Verletzung zu erzählen, was meinen Mitspielern das erwartete, müde Lächeln entlockte, da sie natürlich von einer nachträglichen, faulen Ausrede für mein bislang so mieses Spiel ausgingen. Hätte ich mal vor Turnierbeginn etwas gesagt...

Ab Loch 1 lief es etwas besser, ich machte dort reguläre 2 Punkte. Auf dem nächsten PAR 5, einem noch längeren als meinem Startloch Nr. 8, machte ich zwar wieder keine Punkte, es lief aber nicht ganz so katastrophal, wie beim ersten Loch. Danach punktete ich wieder. Beim anschließenden PAR 3 machte ich sogar 4 Nettopunkte und wähnte mich nun endlich, wenn auch mit einiger Verspätung, im Turnier angekommen. Außerdem spielte auch der Herr Papa nich durchgehend brilliant, und punktete in etwas genauso unregelmäßig wie ich, was mich etwas beruhigte. Und schließlich machte auch der Junior, genau zu dem Zeitpunkt, an dem ich mich allmählich steigerte, und nachdem er bis dahin absolut atemberaubend gut gespielt hatte, seine schlechteste Phase durch und erklärte, dies sei seine eigentliche Spielstärke. Unser Doktor hingegen machte weiterhin den Tiger Woods und spielte erneut das "Turnier seines Lebens", wie schon 14 Tage zuvor. Ganz allmählich kam vielleicht auch ihm der Verdacht, dass die 2 Jahre regelmäßigen Spiels einen positiven Effekt gehabt haben könnten.

Die Laune in unserem Flight war weiterhin gut, nur die Schmerzen waren inzwischen fast nicht mehr zu ertragen und behinderten jeden Schwung erheblich, was inzwischen auch von meinen Mitspielern wahrgenommen und nun nicht mehr für eine Ausrede gehalten wurde, zumal mein Spiel sich ja trotzdem verbessert hatte. Der Trost für mich bestand darin, dass ich mein schlechtes Gesamtergebnis guten Gewissens auf die Verletzung schieben konnte und hoffnungsvoll auf die Ausbeute beim nächsten Turnier schauen konnte. Wie sehr ich mich täuschen sollte, wird Thema in einem der nächsten Beiträge hier sein...

Wir beendeten das Turnier trotzdem mit Spaß und in Würde, auch wenn ich einmal, nach einem tollen Befreiungsschlag hinter einem Holzbalken hervor sehr genervt war, als der Vater mitten in meinen nächsten Schwung hineinquatschte und ihn damit total versaute. Nicht, dass das etwas am miesen Gesamtergebnis geändert hätte aber so etwas macht man beim Golf einfach nicht. Er bot mir auch an, den Schlag straffrei zu wiederholen aber das lehnte ich aus Prinzip und unter Hinweis auf den Spirit von Bobby Jones ab. Ich glaube nicht, dass er wusste, wovon ich redete. Abgesehen von dieser kleinen atmosphärischen Störung verstanden wir uns aber alle vier super und hatten trotz allem richtig Spaß miteinander.

Bei der abschließenden Wertung mit Begleitgetränk auf der Clubterasse stellten wir fest, dass Papa und ich weit abgeschlagen waren, ich hatte gerade einmal 11 Nettopunkte gemacht, obwohl ich auf den 9 Löchern 18 gebraucht hätte, um auch nur mein Anfänger HC von -54 zu bestätigen, von einer Verbesserung ganz zu schweigen. Der Junior hatte sich letztlich mit 18 Punkten genau bestätigt, eine gute Leistung für das erste Turnier. Und unser Herr Doktor hatte den Vogel abeschossen und sich erneut um gleich 9 Punkte im HC verbessert. Damit verfügte er fortan über eine echte DGV - Stammvorgabe von -35 und ist seither von den Beginner Cups ausgeschlossen. Im Gesamtergebnis machte er den 4. Platz bei 52 Teilnehmern, während ich immerhin noch Platz 43 belegte.

Es würde mich freuen, wenn ich mit dem Herrn Doktor irgendwann einmal wieder ein Spielchen machen würde, allerdings erst, nachdem ich auch ein bisschen mehr Übung habe...

Die nächsten 3 Tage konnte ich mich übrigens so gut wie gar nicht mehr bewegen und versuchte alles Mögliche, um die Schmerzen zu bekämpfen, allerdings ohne Erfolg. Zur Arbeit schleppte ich mich natürlich trotzdem aber meine Unvernunft und der mangelnde Mut, das Turnier noch kurzfristig abzusagen, bescherten mir insgesamt eine 5wöchige Pause, in der gar nichts mehr ging...

1 Kommentar: