Montag, 15. April 2013

Golf im TV = Schlafmittel?

Seit ein paar Jahren bin ich, wenn ich im Sportprogramm meines Pay TV - Senders, der zwar nicht derjenige meines Vertrauens, wohl aber der einzig verfügbare ist, wenn man auf Internet - TV verzichten möchte, auf ein Golfturnier gestoßen bin, des Öfteren für längere Zeit, manchmal für mehrere Stunden, daran hängen geblieben.

Eine Vorstellung, die für manche vermutlich ebenso spannend ist, wie die Aussicht auf das Verfolgen eines mehrstündigen Curling- oder Snooker - Matches oder, in ganz harten Fällen, auf eine schöne, lang anhaltende Wurzelbehandlung. Zumindest Snooker sehe ich übrigens auch sehr gern.

Golf ist, ebenso wie Snooker, ein Sport, bei dem der Zuschauer am TV eher nicht Gefahr läuft, Situationen aufgrund der hohen Spielgeschwindigkeit nicht richtig mitzubekommen, weil er gerade mal nach der Chipstüte geangelt hat.

Beim Golf wird jeder einzelne Schlag gut vorbereitet, man kann die Strategie nachvollziehen und zumindest dank der meist fachkundigen Kommentatoren auch sofort bewerten, ob der jeweilige Spieler seinen Schlag wie geplant umsetzen konnte, oder ob nicht. Selbst die einzige Bewegung des Spiels, die viel zu schnell ist, um sie mit bloßem Auge in ihren Einzelheiten zu verfolgen, der Schwung, wird dank hoch auflösender High Speed Cams zwischendurch oft in sein Einzelteile zerlegt und auch für den Laien verständlich analysiert. Spannung entsteht dabei natürlich, wie bei so vielen anderen Sportarten - z. B. im Rennsport - durch die morbide Begeisterung des Zuschauerns am Scheitern der Akteure.

Wenn ein Schlag mal wieder fies im Bunker oder einem Wasserhindernis landet, wenn ein Putt über 17 Meter fallen muss, damit der Spieler aufschließen oder in Führung bleiben kann, bietet sich die Möglichkeit, entspannt auf der Couch sitzend, mitzufiebern, wie der Spieler sich wohl aus der Lage, in der er sich selbst gebracht hat, nur weil er mal wieder nicht in der Lage war, bei Regen und Sturmböen einen kleinen weißen Ball aus 215 Metern mit einem Eisen 5 auf exakt das richtige, einen halben Quadratmeter messende Plateau des Grüns, von dem aus der Putt quasi zum Selbstläufer wird, zu platzieren, befreien wird.

Ja, ich habe den letzten (Ab)satz noch 3 Mal gelesen und für mich ist er schlüssig... :-)

Wenn man weiß, um wieviel es bei den wichtigen Turnieren für die Spieler gehen kann, sowohl monetär als auch hinsichtlich des mit einem Sieg oder einer Topplatzierung versehenen Ansehens und häufig auch damit verbundenen Einladungen zu weiteren wichtigen Turnieren, ist es aus meiner Sicht absolut bewundernswert, mit welcher (scheinbaren) Gelassenheit und Konzentration die Spieler in der Lage sind, selbst die schwierigsten Schläge über 72 Löcher - je 18 an 4 aufeinander folgenden Turniertagen - zu bewältigen. Es ist wenig verwunderlich, dass viele Spieler in der Schlussetappe gezeichnet sind...

Seit ich vor ca. 1 Jahr meine ersten vorsichtigen Schritte in ein eigenes Leben als Golfamateur gemacht habe, haben solche Übertragungen natürlich einen noch viel größeren, zusätzlichen Reiz bekommen. Nicht nur, dass man sich auf die schönsten Plätze der Welt träumen und sich vorstellen kann, wie es wäre, selbst einmal entlang der Palastmauer beim Hassan II in Marokko einen Ball zu schlagen, es ist auch ganz praktisch möglich, sich haufenweise Hinweise darauf zu holen, wie richtig gute Golfer bestimmte Dinge machen und Probleme lösen, um dies Stückchen für Stückchen ins eigene Spiel einzubauen. Auch durch reine Beobachtung kann man sein Spiel nach und nach verbessern.

Und wer sich selbst für Golf begeistert, wird schnell feststellen, dass eine Übertragung des Ryder Cup oder - wie in der letzten Nacht gerade spektakulär zuende gegangen - des Masters in Augusta, ähnlich emotional, aufregend und begeisternd sein kann, wie ein Finale der Fußball WM.

So hatte ich das Glück, den Finaltag des Ryder Cup 2012 live im Fernsehen verfolgen zu können. Nach dem dritten Turniertag lag die europäische Mannschaft gegenüber der amerikanischen fast hoffnungslos zurück. Beim Ryder Cup wird an den letzten beiden Tagen quasi im "Duell - Modus" gespielt. In 12 Flights treten jeweils ein amerikanischer gegen einen europäischen Spieler an und wer am Ende der 18 Löcher weniger Schläge gebraucht hat, bekommt einen Punkt für die Teamwertung. Für ein Unentschieden erhält jedes Team einen halben Punkt. Das Team, dass am Ende die  meisten Punkte hat, gewinnt, so einfach ist das.

An diesem letzten Tag war also nichts weniger als ein kleines Wunder erforderlich, wenn das europäische Team, geführt von Team Captain José Maria Olazabal, einem guten Freund des viel zu früh verstorbenen Seve Ballesteros, die Amerikaner, noch dazu auswärts, der Ryder Cup wird abwechselnd in den USA und Europa ausgetragen und 2012 hatten die Amis ihr Heimspiel, noch besiegen wollten. Von den an diesem Tag ausstehenden, letzen 12 Duellen mussten die Europäer mindestens 8 für sich entscheiden, wenn ich es noch richtig im Gedächtnis habe.

An den drei Tagen zuvor hatte nur ein Spieler aus dem europäischen Lager wunderbares Golf gezeigt und damit die Moral der Mannschaft, den Glauben an eine letzte Chance, am Leben erhalten - Ian Poulter, ein Golfpunk aus Irland hatte bis dahin alle seine Spiele gewonnen und dabei zum Teil "Zaubergolf", vor allem aber einen unbändigen Willen gezeigt. Er erzeugte damit einen Spirit, der bis in die heimischen Wohnzimmer der Fernsehzuschauer greifbar war, unwillkürlich wurde man in seinen Bann gezogen, der niemals aufgebene Outlaw in seinem einsamen Kampf gegen den übermächtigen Gegner. Wie spannend und nervenaufreibend Golf wirklich sein kann, habe ich da zum ersten Mal gespürt. Nicht ein Fingernagel, der sich am Ende des Tages noch an seinem dafür vorgesehen Platz an der Spitze meiner Finger befand, dafür fand ein fröhliches Nail - Happening in meinem Magen statt, wo die Nägel sich, wenn ich den bösen Geschichten älterer Leute, was mit völlig unverdaulichen, abgekauten Fingernägeln im Körper der kauenden Übeltäter passiert glauben durfte, nach und nach zu einem Nagelturm stapelten, der mir irgendwann aus dem Schlund wachsen würde...

Angesteckt vom Spirit des Ian Poulter hatte sich die ganze europäische Mannschaft noch einmal moralisch an ihm aufgerichtet, hatte Olazabal die Seinen noch einmal im Namen seines verstorbenen Freundes Ballesteros eingeschworen.

Zunächst lief es durchwachsen aber mit zunehmendem Spielverlauf setzten sich immer mehr Europäer in ihren Duellen durch und es schien im Bereich des Möglichen, dass die erforderlichen Punkte tatsächlich noch eingefahren werden könnten. Klar war auch, dass es sich erst auf den allerletzten Metern des Turniers entscheiden würde. Die letzten beiden Flights - auch hier aus dem Gedächtnis und daher ohne Gewähr - bestanden aus den Paarungen Steve Stricker gegen den Deutschen Martin Kaymer und abschließend Tiger Woods gegen Francesco Molinari. Am 18. und letzten Loch versenkte Martin Kaymer aus gut 1,5 Metern den entscheidenden Putt gegen Steve Stricker und ich erinnere mich, nicht weniger gejubelt zu haben als bei Andi Brehmes Elfemetertor im Finale der Fußball WM 1990. Nachdem das Spiel Woods gegen Molinari damit "unwichtig" geworden war, weil Europa der Ryder Cup 2012 auf amerikanischem Boden nicht mehr zu nehmen war, verlor Tiger auf den letzten Löchern noch seine Linie und gab nicht nur seinen Schlagvorsprung auf Molinari, sondern noch das gesamte Match gegen diesen ab, so dass Europa letztlich sogar mit noch einem Punkt mehr Vorsprung gewann, als man eigentlich gebraucht hätte.

Von dieser tollen Erfahrung beflügelt, nahm ich mir vor, künftig öfter einmal gezielt wichtige Golfturniere live am Fernseher zu verfolgen, auch wenn die großen PGA - Turniere wegen der Zeitverschiebung bei uns meist in den Nachtstunden laufen, und dies eben immer 4 Tage in Folge. Spannend waren dabei natürlich in erster Linie die Finaltage. Der montägliche Büroschlaf musste also künftig öfter mal eingeplant werden.

Nachdem ich in der Folge die Finaltage mehrerer Turniere, mal teilweise, mal vollständig, verfolgt hatte, schaltete ich vor einigen Wochen zufällig in die Übertragung des ersten Tages vom Hassan II der European Tour in Marokko. Es spielte unter anderem Marcel Siem, ein deutscher Golfer, dessen Namen ich zwar schon häufiger gehört, von dem ich aber im Grund nichts wusste und den ich bislang auch noch nicht hatte spielen sehen. Das erste, was mir auffiel, war seine Ähnlichkeit mit dem von mir sehr geschätzten Fußballer von Hertha BSC, Fabian Lustenberger. Das zweite war Siems verkniffener Gesichtsausdruck, der ihn mir auf Anhieb unsympathisch machte. Erstaunlich, wie ein so ähnliches Gesicht eines geschätzten Menschen so anders wirken kann, nur weil derjenige etwas andere ausstrahlt. Nun gut, immerhin war ich zufällig auf einen deutschen Golfer gestoßen, noch dazu führte dieser am ersten Tag die Gesamtwertung an, so entschied ich mich, eine Weile dabei zu bleiben.

Siem spielte sehr ansehnliches Golf und nach und nach erfuhr ich, dem gut informierten und auskunftsfreudigen Kommentator sei Dank, auch einiges über die Hintergründe seiner Karriere. Sei aggressives und emotionales Spiel gefiel mir mehr und mehr und der anfangs als eher unwirsch wahrgenommene Gesichtsausdruck wurde mehr und mehr als reine Konzentration erkennbar. Golf ist häufig ein Spiel der Vernunft, eine defensivere Taktik führt öfter zum Erfolg als mit dem Kopf durch die Wand zu gehen und immer das Besondere zu versuchen. Ich bin mir sicher, ein Profi wie Siem, der seit über 10 Jahren auf der European Tour unterwegs ist, weiß so etwas. Man merkte es seiner Spielweise aber nicht durchgehend an. Man könnte das als nicht sehr intelligent betrachten aber mir persönlich imponierte er mit seiner kämpferischen Einstellung und wenn ihm dann mal etwas besonders gut gelang, öffneten sich die bis dahin so verkniffenen Gesichtszüge zu einem derart freudigen Strahlen, dass er ich am zweiten Wettkampftag bereits ein Fan von Marcel Siem geworden war. Ja, er hatte in über 10 Jahren erst zwei Siege bei der Tour eingefahren. Den ersten 2005, den zweiten erst im letzten Jahr, nachdem er wieder zu seinem ursprünglichen Ausrüster, Mizuno, zurückgekehrt war. Nunmehr führte er beim Hassan II, einem Turnier, dass auf einem Golfplatz im Herzen des marokkanischen Königspalastes, den pro Jahr sonst nur eine handvoll privat eingeladener Gäste bespielen, ausgetragen wurde auch nach dem 2. Tag das Leaderboard an und eine Sensation begann sich anzubahnen. Falls nämlich Siem das Turnier gewinnen würde, würde er mit hoher Wahrscheinlichkeit anschließend Platz 50 der Weltrangliste einnehmen und damit das vorletzte verfügbare Ticket für das 2 Wochen später stattfindene Masters auf Augusta, einem der angesehensten Major - Turniere der PGA - Tour ergattern. Das Masters ist das einzige der Major - Turniere, auf dem Siem bislang noch nie spielte und eine Teilnahme wäre für ihn die Erfüllung eines lang gehegten Traumes gewesen. Tatsächlich war der restliche Turnierverlauf eine Berg- und Talfahrt, bei der er nach schlechteren Schlägen - oder manchmal auch schlicht nach ziemlichem Pech - Schläge einbüßte und dann auch regelmäßig wieder sein verkniffenes Gesicht aufsetzte, dabei jedoch nie aufgab und sich jeweils durch gutes und mutiges Spiel wieder in Vorhand brachte. Letztlich gelang es Marcel Siem, am Ende des vierten Tages einen Start - Ziel - Sieg in Marokko einzufahren. Es war sein dritter Sieg auf der European Tour in über 10 Jahren aber sein zweiter innerhalb von nicht einmal einem Jahr. Es schien, Siem könnte den nächsten Entwicklungsschritt gemacht haben, nachdem er einst als hoffnungsvollster Jungstar mit dem besten HC ganz Europas (+4) ins Profigeschäft gestartet war, jedoch viele der in ihn gesetzten Hoffnungen enttäuschte als er seinem ersten Turniersieg für lange Zeit keinen weiteren folgen lassen konnte. Nunmehr waren es also drei und er freute sich riesig darüber und zeigte zudem ausgezeichnete Manieren als er sich beim Thronfolger und vor allem den anwesenden Zuschauern am 18. Loch artig in deren Amtssprache auf französisch bedankte. Die anschließende Wasserdusche seiner deutschen Spielerkollegen quittierte er - der Nässe zum Trotz - recht trocken mit den Worten: "Das ist ja nicht mal Champagner". Da hatte er mein Fanherz endgültig erobert.

Nun hieß es Daumen drücken für Platz 50 der Weltrangliste und die damit verbundene Startberechtigung in Augusta. Doch der Teufel steckt manchmal im Detail. Ein anderer Spieler, der zeitgleich mit dem Hassan II auf der PGA Tour bei den Shell Texas Open spielte, verdrängte Siem um den Bruchteil eines einzigen Punktes (ich glaube, tatsächlich waren es sogar nur 0.03 Punkte) vom 50sten auf den 51sten Platz - nix mit Masters.

Allerdings hatte Siem in der Nacht vor seinem Sieg in Marokko eine Einladung zu den Valero Texas Open erhalten, die eine Woche später und damit eine Woche vor dem Masters stattfanden. Er sagte spontan zu und freute sich über die Einladung zur PGA Tour. Ganz nebenbei hatte er damit die Chance auf den wirklich allerletzten Startplatz, den unabhängig vom Weltranglistenplatz steht dieser dem Sieger dieses Turnieres zu, es sei denn, dieser wäre ohnehin schon für das Masters qualifiziert. Dann verfiele er ersatzlos.

Ich verfolgte also ab dem kommenden Donnerstag - der ungünstigen Zeiten wegen allerdings nur lückenhaft - den Verlauf der Valero Texas Open. Siem erwischte einen totalen Fehlstart, kämpfte sich aber an den folgenden Tagen durch seinen unermüdliches, aggressives - und diesmal auch phasenweise, wenn es angemessen war, weitaus vernünftigeres - Spiel in Schlagdistanz zu den Führenden. Am letzten Tag lag er, wenn ich mich richtig erinnere, sogar auf einem sensationellen 2. Platz, mit nur noch einem Schlag Rückstand auf die Spitze. Dann allerdings musste er am 12. Loch nach zwei Bunkerschlägen und einem Dreiputt ein frustrierendes Triple - Bogey hinnehmen und alle Siegchancen waren dahin. Doch auch jetzt hörte Siem nicht auf zu kämpfen und erspielte sich am Ende einen mehr als respektablen, geteilten 10. Platz. Das reichte zwar nicht für Augusta aber er hat nachhaltig auf sich aufmerksam gemacht und wenn er so weiter spielt, steht es für mich außer Frage, dass er im nächsten Jahr nicht bangen muss, ob er zu den Top 50 der Welt gehören wird.

Das nächste und bislang letzte Highlight waren die Masters selbst, die seit dem vergangenen Donnerstag liefen. Die 50 besten Spieler der Welt, dazu sämtliche Ex - Champions, die sich noch konkurrenzfähig fühlten - bei den Masters erwirbt jeder Sieger automatisch lebenslanges Teilnahmerecht - und ein paar geladene Spieler, darunter 6 Amateure, alles in allem 93 Spieler traten an, um eines der wichtigsten Major - Turniere im PGA - Kalender zu gewinnen. Von deutscher Seite waren Altmeister Bernhard Langer und der derzeit erfolgreichste deutsche Golfer, Martin Kaymer, einer der Helden des oben beschriebenen Ryder Cup 2012 dabei.

Nach dem Hassan II gelang es mir zum zweiten Mal innerhalb recht kurzer Zeit, nahezu ein gesamtes Turnier im TV zu verfolgen. Die Übertragungen liefen zwar immer von 21 Uhr abends unserer Zeit bis 1.30 Uhr am nächsten Morgen, jedoch hatte ich diesmal Verstärkung durch meinen Schwager, der die Vorzüge eines spannenden Golfturniers inzwischen, nachdem er einmal beim Hassan II mit mir gemeinsam Marcel Siem die Daumen gehalten hatte, auch zu schätzen wusste. So war die Gefahr einzuschlafen geringer, denn wir unterhielten uns über allerlei Aspekte des Gesehenen und mein Schwager fischte zum jeweiligen Thema noch reichlich Hintergrundinfos aus dem Internet.

3 spannenden Tagen, bei denen ein glänzend aufgelegter Bernhard Langer mit seinen 56 Jahren am Ende bei beeindruckenden 2 Schlägen unter Par und damit in Lauerstellung auf eine Top 10 - Platzierung am Ende des Turniers lag, während Martin Kaymer von Anfang an nicht wirklich konkurrenzfähig war, jedoch immerhin im Vergleich zu seinen Teilnahmen in den Jahren zuvor eine Steigerung zeigte und den Cut ins Turnierwochenende schaffte und in denen ein 14jähriger, chinesischer Amateur mit mutigem und technisch versiertem Spiel auf sich aufmerksam machte, und ebenso den Cut schaffte und letztlich bester der 6 anwesenden Amateure wurde, folgte ein nachgerade sensationeller 4. Finaltag.

Zu Beginn war es vor allem Bernhard Langer, der für Begeisterung sorgte als er seine Runde mit 3 Birdies in Folge begann und plötzlich mit 5 unter Par auf einem geteilten 2 Rang, lediglich 2 Schläge hinter dem Führenden lag. Leider musste der "alte Mann" dann scheinbar doch den Strapazen und vielleicht auch dem Druck aus 3 vorangegangenen Tagen mit Ergebnissen, wie er sie in Augusta schon seit Jahren nicht mehr eingefahren hatte, Tribut zollen und produzierte plötzlich Bogeys und Doublebogeys in unschöner  Regelmäßigkeit. Am Ende stand er mit einem Gesamtergebnis von 2 über Par aber noch immer auf einem mehr als respektablem 25. Rang im Gesamtergebnis. Immerhin hatte Langer den Cut am Freitag erstmals seit 2005 wieder geschafft. Dahinter, mit einem Schlag mehr, rangierte letztlich Martin Kaymer auf einem geteilten 35. Platz, der damit sein Vorjahresergebnis immerhin um 9 Plätze verbessern konnte, nachdem er davor 4 Jahre in Folge am Cut gescheitert war. Auch hier zeigt die Tendenz also erkennbar nach oben. Ich hätte gerne gesehen, wie ein Marcel Siem, mit dem ihm eigenen Kampfgeist, bei diesem Turnier, das teils bei Bilderbuchbedingungen, teils im strömenden Regen stattfand, abgeschnitten hätte. Ich freue mich schon jetzt darauf, dies hoffentlich im nächsten Jahr beobachten zu können.

Mein persönlicher Favorit auf den Sieg war zu Beginn des Finaltages Brandt Snedeker aus den USA. Er lag nach dem 3. Tag gemeinsam mit Angel Cabrera aus Argentinien bei 7 Schlägen unter Par in Führung und schien nun endlich reif für einen großen Titel zu sein, nachdem er seit Jahren als einer der konstantesten Spieler der neuen Generation galt. Auf den Back 9 entschärfte es Brandt jedoch ohne ersichtlichen Grund vollkommen und er fiel auf ein Endresultat von 4 unter Par und einen geteilten 4. Platz zurück. Tiger Woods hingegen startete nach katastrophalen ersten Tagen (für seine Verhältnisse) und nachdem ihm nach der 2. Runde noch nachträglich 2 Strafschläge für einen Droppen an falscher Stelle aufgebrummt worden waren mit -3 in die letzte Runde und hatte bei diversen Putts großes Pech. Immer fehlte ein entscheidender cm. Dennoch gelang es ihm am Ende, denselben geteilten 4. Platz zu erreichen wie Snedeker. Sicher nicht das, was Tiger sich vorgenommen hatte, der als einer der großen Favoriten in dieses Masters gestartet war, jedoch angesichts seiner vielen knappen Aktionen, die fast gänzlich zu seinen Ungunsten ausgingen, dennoch ein beeindruckendes Ergebnis. Hätte er ein wenig mehr Glück des Tüchtigen gehabt, hätte er am Ende dort stehen können, wo sich letztlich der o. g. Angel Cabrera, der auf der Runde von seinem eigenen Sohn als Caddy unterstützt wurde und dem ruhigen, sympathischen Australier Adam Scott, dem der jahrelange Caddy von Tiger Woods seit 2008 zur Seite steht, um den Sieg stritten. Während der Runde gab es zahlreiche Veränderungen in der Spitzengruppe. Lediglich Cabrera gelang es, sich fast während der gesamten Runde auf der Führungsposition, zwischenzeitlich mit -9, zu behaupten. Er spät handelte er sich 2 Bogeys in Folge ein und zwischenzeitlich auf den 3. Platz zurück. Scott hingegen arbeitete technisch sauber, unermüdlich und auch weitgehend unauffällig und knabberte Stückchen für Stückchen an den Plätzen der vor ihm liegenden Spieler. Als Cabrera beim zweiten Bogey auf -7 zurückfiel, schlug Scotts Stunde, der direkt im Flight vor Cabrera, der als Führender des Vortages gemeinsam mit Brandt Snedeker als Letzter ins Spiel gestartet war, spielte. Ein Loch vor Cabrera spielend, verbesserte er sich zeitgleich mit dessen zweiten Bogey auf -8 und hatte plötzlich die Führung inne, gemeinsam mit dem noch ein Flight davor spielenden Jason Day, der ebenfalls einen extrem wechselhaften Turnierverlauf erlebt hatte. Zwischenzeitlich war Day nach dem 2. Tag sogar in der Führungsgruppe gewesen, jedoch konnte er dieses Ergebnis letztlich nicht halten und fiel noch auf einen alleinigen 3. Platz zurück. Während seines Zwischenhochs war ich mir sicher, dass eigentlich nur Day das Turnier gewinnen konnte, wenn nicht der "Altmeister" und Champion von 2009, Angel Cabrera ihn noch abfangen würde. Nachdem Day zurückgefallen war, lagen Cabrera und Scott auf den letzten Löchern parallel bei -8 und es wurde deutlicher, dass sie wohl den Sieg unter sich ausmachen würden.

Als Scott auf dem Grün des letzten, 18. Loches einen langen Traumputt zum Birdie lochte und damit auf 9 unter Par kam, während Cabrera im letzten Flight, in etwa 200 Metern Entfernung darauf wartete, seinen Annäherungsschlag auf eben dieses Grün durchführen zu können, schien die Sache entschieden zu sein. Das war auch dem sympathischen Scott klar, der daraufhin einen unglaublich euphorischen Jubelanfall bekam, in dem die hohe Anspannung der vergangenen Tage aus ihm herausbrach. Man musste sich einfach mit ihm freuen und bekam wirklich feuchte Augen als man sah, wie viel es ihm bedeutete, diesem wichtigen Titel nun so nah zu sein. Jetzt brauchte er nur noch zu warten, was Cabrera hinter ihm machte. Dieser visierte in aller Seelenruhe an und brachte den Ball mit seinem zweiten Schlag auf etwa 70 cm an das Loch. Eine sensationelle Annäherung, sicher einer der Schläge des Tages und ein unter normalen Umständen selbst für mich gut machbarer Birdie - Putt. Allerdings gibt es so etwas wie Selbstverständlichkeiten nicht, wenn es um so viel geht, da haben schon ganz andere Bälle aus noch kürzeren Entfernungen vorbeigezittert...

Cabrera freute sich sichtlich über seine gelungene Annäherung, die Scott mit einem kurzen Blick auf den Monitor im Clubhaus registrierte, während er seine eigene Scorecard unterschrieb und trottete - in der ihm eigenen, mich an einen großen Teddybären gemahnenden Manier - in Richtung des letzten Grüns. Dort angekommen machte er gar nicht viel Federlesens, sondern lochte den Ball mit einer Selbstsicherheit, die keinerlei Zweifel an seiner Nervenstärke und seinem Siegeswillen aufkommen ließ, souverän ein. Birdie! Zwei Spieler bei -9, nachdem beide am Ende des 17. Loches noch bei -8 gelegen hatten. Unglaublich. Dies bedeutete ein PlayOff im Sudden Death - Modus. Das meint nichts anderes als dass einzeln nacheinander, von Anfang an festgelegte Löcher von den Kontrahenten erneut gespielt werden, so lange, bis einer von beiden an einem der Löcher weniger Schläge braucht. Danach ist das Turnier sofort vorbei.

Falls Scott sein schon recht siegesgewiss anmutender Jubel nach seinem Birdie im Hinblick auf die nun noch anstehende Verlängerung unangenehm war, ließ er sich zumindest nicht anmerken, sondern bewahrte sein freundliches Pokerface als er gemeinsam mit Cabrera wieder zum Abschlag von Loch 18, dem ersten der Play Off - Löcher, zurück trottete.

Beide zeigten einen perfekten Abschlag, beide Bälle blieben in nahezu identischer Entfernung - der Unterschied betrug nach Augenmaß weniger als einen Meter - der eine links, der andere rechts der Mitte des Fairways, liegen. Die zweiten Schläge beider gerieten gleichermaßen etwas zu kurz und rollten, nahezu parallel wieder vom Grün zurück auf das Fairway, wobei der Ball von Cabrera, der etwas mehr Spin gehabt hatte, ungefähr 3 Meter weiter von der Fahne entfernt zum Erliegen kam. Der anschließende Chip von Cabrera tippte einen guten Meter vor der Fahne auf und lief dann, den linken Lochrand streifend, über das Loch hinaus, um einen knappen Meter dahinter zu stoppen. Das wäre fast ein weiteres Birdie und der endgültige Sieg für Cabrera gewesen. Die beiden lieferten sich mittlerweile ein Duell auf derart hohem Niveau, dass die Spannung wirklich ins Unermessliche stieg. Der anschließende Chip von Scott blieb etwas weiter von der Fahne entfernt liegen, beide lochten jedoch in der Folge souverän zum Par ein.

Weiter ging es auf Loch 10, die zweite Play Off - Bahn. Scott schlug mit dem Driver erneut einen souveränen Ball, leicht links von der Mitte des Fairways, nachdem sein Ball beim Abschlag zuvor derjenige leicht rechts der Mitte gewesen war. Cabrera stieg stattdessen, der größeren Sicherheit wegen, auf ein langes Eisen um. Er blieb aber dem gemeinsamen Schlagmuster treu und beförderte seinen Ball diesmal, erneut fast exakt genauso weit, wie den von Scott, auf die linksseitige Mitte des Fairways. Beide Bälle lagen also erneut parallel. In dieser Anspannung, bei all dem, was für beide Sportsmänner auf dem Spiel stand, fanden die beiden nach ihren Abschlägen und auf dem Weg zum jeweils zweiten Schlag, noch die Zeit, Blickkontakt zu einander zu suchen, und sich mittels in die Höhe gestrecktem Daumen und offenem, anerkennendem Grinsen zu verstehen zu geben, dass sie den Schlag des jeweils anderen toll fanden. Zwei große Sportsmänner, die einander mit dem Respekt, der  Fairness und der Sympathie behandelten, die ich mir bei jeder sportlichen Auseinandersetzung wünschen würde.

Spätestens nach dieser kleinen aber bedeutsamen Geste gab es für mich wirklich keinen Favoriten mehr. Mit ganzem Herzen gönnte ich jedem der beiden Spieler den Sieg und ebenso klar bedauerte ich den unverdienten Verlierer dieses großartigen Duells auf höchstem Niveau.

Der zweite Schlag von Cabrera geriet abermals etwas kurz, erreichte aber das Grün. Aus geschätzt etwa 10 Metern konnte er seinen Birdie - Putt ansetzen. Scott kam auf etwa 6 - 7 Meter etwas näher an das Loch heran, hatte dafür aber die schwierigere Puttlinie, weil das Grün aus seiner Balllage stark nach links abfiel, während Cabrera relativ gerade bergan putten konnte. Letzterer war dann auch als erster an der Reihe. Der Putt bewegte sich quälend langsam auf das Loch zu, näherte und näherte sich, beschrieb ein minimales Break nach rechts und blieb, in einem Abstand von ungefähr 1 cm, direkt neben dem Loch liegen. Ein unglaublich guter Putt und ein erneut traumwandlerisch sicheres Par für Cabrera. Außerdem bereits der zweite Schlag in dieser Verlängerung, mit dem er das Turnier fast für sich entschieden hätte, nach dem hervorragenden Chip auf Loch 18, der über die Lochkante gerollt war. Nun kam Scotts Putt. Eine sichere Annäherung für einen Parputt schien auch für ihn kein Problem zu sein. Stattdessen bewegte sich der Ball wie an einer Schnur gezogen, an der Kante des abfallenden Grüns entlang auf das Loch zu und fiel, als wäre es ein Tab In aus 2 cm, hinein. Scott hatte ein weiteres Birdie aus schwieriger Putt - Position erzielt und das Turnier für sich entschieden.

Der Jubel des Publikums und des Spielers kannte keine Grenzen, es war regelrecht mitreißend und die feuchten Augen ließen sich - zumindest für mich Weichei - nicht vermeiden. Der zweite Gratulant, nachdem Scott seinem Caddy um den Hals gefallen war, war Cabrera. Der ältere Spieler nahm Scott herzlich in den Arm, gratulierte ihm erkennbar aufrichtig und bei aller eigenen Enttäuschung, war er seinem zweiten Masters - Sieg doch so nahe gewesen, sah man ihm die aufrichtige Freude für seinen Konkurrenten deutlich an. Auch im anschließenden Interview direkt am Grün drückte er diese aus und betonte, er freue sich sehr für den großen Sportsmann und einwandfreien Menschen Scott, der den Sieg aufgrund des hervorragenden Spiels, das er gezeigt hatte, vollkommen verdient hatte. Natürlich hätte er selbst auch gern gewonnen und hätte wohl auch einige Mal die Gelegenheit gehabt aber so sei Golf, nur einer könne gewinnen und Scott habe es ebenso verdient. Worte, die unmittelbar nach einer so bitteren, so knappen Niederlage beeindruckten und zu Herzen gingen, zumal Cabrera nicht einen Moment lang den Eindruck vermittelte, er habe dieses gemessene Statement nur aufgrund seines perfekten Medientrainings abgegeben. Er wirkte tatsächlich vollkommen aufrichtig. Er war sich wohl auch der Auswirkungen eines solch großen Sieges auf die weitere Karriere des jüngeren Scott bewusst, hatte er sie doch vor einigen Jahren selbst positiv erlebt und freute sich auch in dieser Hinsicht deutlich für seinen Mitbewerber.

Mittlerweile war es etwa 1.40 Uhr am Morgen in Deutschland und das Wecken keine 5 Stunden mehr entfernt. Dennoch war ein Durchhalten für einige weitere Minuten, um die Verleihung des berühmten grünen Jackets an Adam Scott durch den Vorjahressieger Bubba Watson, im Kaminzimmer des Clubhauses, vor dem Portrait des größten Golfamateurs aller Zeiten und Erbauer des wunderbaren Kurses in Augusta, Bobby Jones, noch zu erleben, unbedingt nötig. Mein Schwager hatte sich nach dem letzten Schlag schnell verabschiedet, schließlich musste er ja auch noch einige Minuten nach Hause fahren, ehe er Schlafengehen konnte. Die Interviews selbst und die Übergabe des Jackets waren dann ziemlich unspektakulär aber man merkte Scott schon an, wie sehr die Situation ihn bewegte. Bemerkenswert war noch, dass, ebenfalls in alter Tradition beim Masters, auch der erfolgreichste Amateur des diesjährigen Turniers, der vorhin erwähnte, 14jährige Chinese, bei dieser Gelegenheit geehrt wurde und sich bereits als echter Medienprofi mit profunden Englischkenntnissen präsentierte.

Wer mir nach den Erfahrungen der vergangenen Wochen, nach den Krimis beim Ryder Cup und dem Masters und dem großartigen Sieg von Marcel Siem beim Hassan II noch erklären möchte, Golf sei langweilig, der sollte es sich vielleicht einfach mal ansehen...

Was jedoch durchaus als probates Schlafmittel geeignet sein könnte, ist ein derart lang geratener Blogeintrag. Ich gratuliere aufrichtig denjenigen, die sich wirklich bis hierher vorgekämpft haben und versichere sie meiner anhaltenden, endlosen Bewunderung für ihren Kampfgeist. Vielleicht sollten Sie mit dieser Einstellung über eine Karriere als Golfprofi nachdenken, da ist Durchhaltevermögen gefragt...

Ich hoffe, am Ende war die Mühe nicht des Lesens nicht vollends vergebens und Sie hatten etwas Spaß am Einblick in meine bisherigen Erlebnisse mit Golf - Übertragungen im Fernsehen. Wenn es den einen oder anderen motiviert, selbst mal einen Blick zu riskieren, würde mich das sehr freuen.





2 Kommentare:

  1. Hallo Dr. Golf,

    das sind ja wahrlich beeindruckende Wortmassen hier. Hab leider keine Zeit, alles zu lesen. Aber Golf im Fernsehen erinnert mich an meine Jugend. Da bekamen wir irgendwann Kabelfernsehen und auch einen Sportsender, der Golf zeigte. War glaube ich der Vorgänger von Eurosport. Da wir nur einen Fernseher im Wohnzimmer hatten, war meine Fernsehzeit stark beschränkt. Ich hab dann immer Golf als Vorwand genommen, um ein bißchen gucken zu dürfen. Wenn Muttern dann mal einkaufen ging, hab ich natürlich hemmungslos rumgezappt. Kann mich aber noch gut an Payne Stewart erinnern, der mit seinem bunten Knickerbocker-Outfit immer sehr hübsch auffiel. Leider ist der sehr früh ums Leben gekommen.
    Heute gucke ich auch manchmal bei dem himmlischen Programm in die von dir erwähnten Übertragungen. Meist, wenn Fußball gerade langweilig ist. Bleibe dann auch meist viel länger hängen als geplant. Ist schon ein Problem, wenn man fast alle Sportarten irgendwie interessant findet.

    Ich hoffe, deine Runde gestern hat stattgefunden und war erfolgreich.

    Gruß aus Westfalen
    ccjay

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  2. Ja, war sie. Ein erster Beitrag dazu ist schon produziert, mindestens ein weiterer folgt heute Abend oder morgen. :-) Danke fürs Lesen - ich weiß, die Textmenge verlangt einem einiges ab. Du kannst ja in Etappen lesen, immer, wenn du gerade mal etwas Zeit hast ein paar Absätze... ;-)
    Gruß aus Berlin,
    Stefan/ Treat

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