Samstag, 20. Juli 2013

Neue Bälle

Der gestrige Freitag hielt, 12 Tage nach meinem letzten Auftauchen in Wall aus Anlass meiner vierten Teilnahme an einem Beginner Cup, eine neue - die bisher vierte - Trainerstunde bei Jack bereit. Natürlich gemeinsam mit meinem Schwager, der gerade aus seinem 3wöchigen Urlaub ohne Golf zurückgekehrt und somit heftig entzügig war.
 
Der pünktliche Feierabend gelang wie geplant, die Hinfahrt verlief dann nicht mehr ganz nach Plan. Bereits auf der Stadtautobahn gerieten wir in dichten Feierabendverkehr in Richtung Norden. Dieser löste sich nach Verlassen der Stadt zunehmend auf, so dass wir wieder gut vorankamen. Da wir uns um 15 Uhr auf den Weg gemacht hatten und unsere Trainerstunde erst um 16 Uhr beginnen sollte, hatten wir zumindest kein wirkliches Zeitproblem. Dachten wir.
 
Kurz vor der Abfahrt Oberkrämer, die wir derzeit wegen diverser Baustellen in Richtung Kremmen meiden, begann der Stau, den wir zunächst fälschlich ebenfalls für eine Auswirkung des Feierabendverkehrs hielten.
 
Im Schneckentempo ging es die nächsten 10 Minuten voran. Dann standen wir plötzlich still. Es war inzwischen 15.30 Uhr und angesichts des totalen Stillstandes, der sich augenscheinlich bis zum Horizont erstreckte, schwand allmählich unsere Hoffnung, es noch pünktlich zur Trainerstunde schaffen zu können. Zwar weiß man nicht erst seit Udo Lindenberg, dass es auch hinter dem Horizont weitergeht, jedoch hatten wir keinen Schimmer, wie schnell...
 
Angesichts dessen rief ich in Wall an und meldete unsere Verspätung, verbunden mit der Bitte, Jack auszurichten, dass wir auf jeden Fall noch erscheinen würden und dass er nicht weglaufen möge. Als die freundliche aber leicht dominant veranlagte Mitarbeiterin des Clubs von unserem Dilemma hörte, haute sie mir sie zunächst mal spontan ein: "Na selber schuld, warum fahrt ihr denn über Oberkrämer, das ist doch dauernd etwas, das müsstet ihr doch langsam wissen. Ihr müsst bereits am Oranienburger Kreuz in Richtung Stralsund auf die B 96, da ist fast nie Stau oder Baustellen." Ich erklärte, dass wir auf dieser Strecke bislang noch nie Probleme gehabt hätten, was sie offenkundig verdutzte.
 
Zu ihrer Ehrenrettung sei erwähnt, dass es sich bei der Mitarbeiterin nicht nur um eine äußerst attraktive, sondern auch um eine sehr nette junge Frau handelt, deren etwas burschikoser Tonfall nur von Sensibelchen wie mir in obiger Weise missdeutet werden kann... :-)
 
Sie sagte zu, Jack zu informieren.
 
Nach dem Telefonat standen wir noch ziemlich genau 30 Minuten auf derselben Stelle. Um Punkt 16 Uhr, als sei das Schicksal nun beruhigt, weil wir auf jeden Fall zu spät kommen würden, löste sich der Stau plötzlich auf als sei nichts gewesen. Im Weiterfahren war jedenfalls, auch beim Durchfahren der sich anschließenden Baustelle, keine Ursache für die Verzögerung auszumachen.
 
Um 16.25 Uhr kamen wir endlich auf dem Clubgelände an, dessen Parkplatz sich erstaunlich leer präsentierte. Angesichts der Tatsache, dass es Freitagnachmittag war, Wochenendbeginn und außerdem Kaiserwetter, war das eher überraschend für uns.
 
Mein Schwager flitzte schon mal hinein, um uns anzumelden, während ich unsere Sachen aus dem Auto räumte und schon einmal mein Bag auf dem Trolley vertäute. Mit Jack im Schlepptau kam er nach 2 Minuten wieder heraus. Jack war uns zum Glück nicht böse und meinte, er werde versuchen, seine nächste Trainerstunde einfach etwas nach hinten zu verschieben. Mein Schwager hatte ihm auch spontan sein Bier während der Wartezeit bezahlt, eine nette und angemessene Geste, wie ich fand.
 
Jack fragte kurz nach, ob wir schon das Chippen, Pitchen und Putten mit ihm geübt hätten und als wir bejahten kündigte er an, dass wir uns diesmal mit unseren Abschlägen beschäftigen würden.
 
Die Stunde offenbarte erneut, dass Jack wirklich ein guter Trainer ist. Er erklärt und wiederholt die Zusammenhänge von Stand, Schlägerhaltung, Schwungebene und Ergebnis des so zustande gekommenen Schlages sehr verständlich und baut das Training so auf, dass man davon von Anfang an profitiert. Unter Jacks Anleitung schlugen wir knappe 100 Bälle in unterschiedlichen Übungen ab, die er uns zwischenzeitlich immer wieder schrittweise erläuterte. Ich kann nicht sagen, dass ich nun plötzlich jeden Ball perfekt traf aber erneut stellte ich fest, dass ich unter Jacks direktem Einfluss wesentlich mehr gute Bälle schlug als wenn ich auf mich allein gestellt war. Zumindest bis wir zu den Hölzern kamen...
 
Wir gingen von den Matten auf die Rasenabschläge, um die große Keule auszupacken. Mein Schlägersatz verfügt über ein Holz 5, ein Holz 3 und ein Holz 1, besser bekannt als Driver. Diese drei Schläger verwende ich nach vielen anfänglichen und vergeblichen Versuchen in der Regel überhaupt nicht. Ab und an vergewissere ich mich auf der Driving Range in einem Anfall von Größenwahn, dass ich damit immer noch nicht treffe und packe sie dann wieder in den Kofferraum, ehe ich auf die Runde gehe. Selbst Jacks Einflussnahme führte gestern nicht dazu, dass ich mit meinem Driver vernünftige Bälle schlug. Ich traf zwar die meisten davon aber sie flogen kurz, flach und völlig unkontrolliert. Jack sah sich dann meinen Driver an und meinte: "Weißt du Stefan, deine Eisen sind nicht besonders. Aber sie sind okay. Nicht so toll aber ich könnte mir vorstellen, mit diesen Eisen eine Runde zu spielen. Aber dieser Driver... weißt du, du solltest dir einen neuen Driver kaufen. Die haben sich so weiterentwickelt, dass du es viel leichter haben würdest, damit zu treffen. Für 150.- € bekommst du schon etwas Vernünftiges." Das war deutlich.
 
Ich tröste mich jetzt ein wenig damit, dass vielleicht mein mieser Driver daran schuld ist, dass ich damit nicht vernünftig zurecht komme. Heute habe ich mir schon einmal ein paar Driver im Internet angesehen und siehe da, der Mizuno JPX 800, also der Driver aus der Serie, aus der mein genialer Hybrid 5 stammt, kostet tatsächlich nur 149.- €. Natürlich werde ich mir im Fachgeschäft mal ein paar Modelle ansehen aber ich glaube, ich ahne schon, welcher es werden könnte... Nun muss ich nur noch auf einen kleinen Geldregen warten.
 
Die Trainerstunde ging zu Ende und wir gingen hinein, um noch eine Formalität zu erledigen, die wir uns für diesen Tag auf die Agenda gesetzt hatten und um anschließend noch eine Runde von 9 Löchern zu spielen.
 
Vor einigen Tagen hatten wir eine Rundmail aus Wall erhalten, in der vergünstigte Upgrades für unsere Green Fee - Mitgliedschaften auf eine Wochentags- oder Vollmitgliedschaft angeboten wurden. Die normale Vollmitgliedschaft in Wall kostet derzeit 869.- € im Jahr. 199.- € hatte ich bereits zu Beginn des Jahres für meine Green Fee - Mitgliedschaft bezahlt. Für eine Nachzahlung von 251.- € hatten wir nun die Gelegenheit, für den Rest des Jahres, mithin immerhin noch für 5,5 Monate, volles Spielrecht in Anspruch zu nehmen, ohne für jede Runde eine Gebühr (Green Fee) entrichten zu müssen.
 
Um mal mit den Worten des unvergesslichen Don Corleone zu sprechen: Sie hatten uns ein Angebot gemacht, das wir nicht ablehnen konnten...
 
Nachdem das Upgrade unserer Mitgliedschaft erledigt war, fiel mir ein, dass ich beim letzten Mal alle 3, meiner nagelneuen Srixon AD 333 Golfbälle mit Deutschlandfahne als Logo verloren hatte und daher Ersatz brauchte. Mich überfiel angesichts dieses Verlustes ein leichter Aberglaube und ich entschloss mich, nach Alternativen Ausschau zu halten. Mein Blick fiel auf ein Produkt, das erst seit diesem Jahr auf dem europäischen Markt zu haben ist. Mizuno JPX Golfbälle. 3 Stück kosteten allerdings 11.- €, nicht gerade ein Schnäppchen und immerhin  genau das Doppelte des Preises für meine Srixon. Andererseits passte der Name so schön zu meinem Lieblingsschläger, dass ich mir vorstellte, wie gut dieser mit genau diesen Bällen möglicher Weise harmonieren würde. Kurz entschlossen erwarb ich ein Dreierpack und hoffte inständig, dieses möge nicht das Schicksal des zuletzt in diesem Pro Shop erworbenen teilen.
 
Natürlich fabrizierte ich auch mit diesen Bällen mäßige und auch ganz schlechte Schläge, keine Frage. Dennoch muss ich klar sagen, dass ich seit gestern neue Lieblingsbälle habe. Das Gefühl war vom ersten Abschlag an sensationell. Der Ballflug war höher, weiter und einfach schöner als ich ihn jemals zuvor zustande gebracht hatte und ich hatte tatsächlich das Gefühl, dass das nicht an einer plötzlichen Verbesserung meines Spiels, sondern an diesen wunderbaren High Tech - Kugeln lag. Am ersten Loch reichte es nach einigem Hin und Her immerhin zum Auftakt zu 2 Punkten, während mein Schwager einen Fehlstart erwischte und das Loch streichen musste.
 
Beim langen Par 5 auf der 2 ist bei mir derzeit wieder der Wurm drin. Nachdem ich das ehemalige "Hassloch" für einige Zeit eigentlich recht gut bewältigt und mehrmals hintereinander dort zumindest noch 1 Nettopunkt holen konnte, hatte ich es in den letzten paar Runde jeweils wieder streichen müssen. So auch gestern. Dafür lochte mein Schwager dort mit dem 7ten Schlag ein und konnte seine ersten 3 Nettopunkte dieser Runde verbuchen.
 
Nun ging es zum fiesen 3. Abschlag, bei dem man gute 100 Meter über ein sehr, sehr hohes Rough und über einen kleinen Graben abschlagen muss, ehe man auf die eigentliche Spielbahn gelangt. Hier hatte ich beim Abschlag erstmals das Gefühl, dass diese Bälle sich anders spielten. Zwar traf ich den nicht optimal, sondern etwas zu fett, so dass ich in etwas zu steilem Winkel stieg, trotzdem war das Gefühl im Treffmoment immer noch gut und der Ball schaffte es, trotz der hohen Flugkurve, souverän über den Graben, wo er nach ca. 20 Metern, unmittelbar vor dem Anfang des Fairways im Semirough liegen blieb. Nachdem ich auch an diesem Abschlag in den letzten 3 Runden versagt, und jeweils meinen ersten Ball unauffindbar im Rough versenkt hatte, so dass ich nach Anrechnung eines Strafschlages erst mit meinem 3. Ball über den Graben kann, und insbesondere, nachdem ich auch diesmal das 2. Loch wieder hatte streichen müssen, war auch dieser suboptimale Abschlag schon eine Genugtuung. Nach meinem zweiten Schlag lag ich nur noch etwa 40 Meter vom Flaggenstock entfernt, eine wunderbare Entfernung für einen lockeren Halbschwung mit meinem Sand Wedge. Dieser misslang vollständig und der Ball brachte es auf gute 5 Meter Weite. Auch der vierte Schlag war miserabel, so dass ich erst mit dem fünften aufs Grün gelangte - ärgerlich. Aus der Fassung bringen konnte mich das aber nicht, denn wir genossen schon jetzt die Runde in der Abendsonne auf dem beinahe menschenleeren Platz ungemein. Mit 2 Putts lochte ich ein und hatte so nach meinem Streichloch immerhin wieder 2 Punkte geholt. Zumindest drohte scheinbar keine Negativ - Serie.
 
Am vierten Loch gelang mir einer der besten Abschläge meiner bisherigen Golferlaufbahn. Wieder fühlte sich der Schlag genial an und der Ball flog schnurgerade auf ungefähr 150 Meter. Von dort legte ich ihn mit dem zweiten Schlag rechts an den drei mittigen Fairwaybunkern vorbei und hatte nun noch einen 80 Meter - Schlag aufs Grün vor mir. Mit meinem Pitching Wedge traf ich gut, ließ das große Wasserhindernis rechts liegen und landete, etwas zu weit links von der Fahne, sicher auf dem Grün. Der vierte Schlag war also mein erster Putt. Angesichts der Tatsache, dass das vierte Loch laut Score Card das schwierigste der 18 Löcher in Wall ist, eine sehr gute Leistung für mich. Ich erinnerte mich, dass ich vor einigen Runden dort schon einmal einen echten Bogey gespielt hatte und hoffte innerlich auf ein ähnliches Ergebnis.
 
Nun zeigte sich jedoch, wie unglaublich schwierig eine Runde in Wall in den Abendstunden, wenn die größte Hitze des Tages gerade nachlässt, werden kann. Nicht nur, dass man auf den ersten vier Löchern durchgehend in die tief stehende Sonne spielen muss, mit der schwindenden Tageshitze, werden dort auch Tausende von stechenden Insekten, vornehmlich Mücken und vor allem Bremsen, aktiv. Als mein Schwager und ich das Grün betraten, wurde jeder von uns von einem ganzen Schwarm dieser unangenehmen Plagegeister umschwärmt, im Sekundentakt ließ sich eines dieser fiesen Stechviecher irgendwo auf mir nieder, um sich einen blutroten Drink zu genehmigen. Die Konzentration auf meine Putts wurde jeweils durch Schläge nach diesen Viechern unterbrochen, um deren Absichten, mich zu einer Blutspende zu überreden, zu unterbinden. Einmal wurde es sogar so schlimm, dass ich eine Runde um das Grün rannte, um die Quälgeister los zu werden. Leider waren sie, nachdem ich gerade meinen Stand eingenommen hatte, sofort wieder um mich, und stachen und bissen weiter. An meiner rechten Wade lief das Blut bereits herunter und durch die ständigen Versuche, auch in meinem Gesicht oder an meinem Hals zu landen, brachten die Biester mich völlig aus der Fassung. Kurz und gut, meine hervorragende Ausgangslage auf dem vierten Loch wurde erfolgreich sabotiert und ich brauchte letztlich 4 Putts, um den Ball im Loch unterzubringen. 2 weitere Nettopunkte, über die ich mich nicht wirklich freuen konnte. Gleichwohl blieb ich guter Stimmung, denn die Runde war einfach zu schön, um sich über solche Störmanöver nachhaltig zu ärgern. Im Laufe der gesamten Runde sahen mein Schwager und ich immer wieder ungläubig in diese friedliche, natürliche Umgebung und uns danach an und murmelten immer wieder, wie unglaublich schön dieser Moment auf dem Platz war.
 
Auf dem nachfolgenden Par 3, auf dem die Abendsonne erstmals nicht direkt frontal, sondern seitlich von links blendete, versuchte ich es in unbelehrbarer Manier erneut mit meinem 8er Eisen, obwohl ich damit bei den letzten beiden Runden katastrophale und zudem viel zu kurze Abschläge produziert hatte. Tja, ob nun aufgrund der neuen Bälle oder warum auch immer - diesmal traf ich den Ball mit einem erneut großartigen Gefühl, es ertönte das sanfte Klick, das sich jeder Golfer beim Abschlag so wünscht und der Ball stieg in den Abendhimmel, dem 108 Meter entfernten Grün entgegen. Gegen Ende seines Fluges wurde er - vermutlich vom leichten Seitenwind - noch ein wenig nach rechts gedrückt, landete aber, in einem Abstand von vielleicht 8 oder 9 Metern zur Fahne auf dem Grün. Mein erster Putt brachte den Ball auf ungefähr 80 cm an das Loch heran, womit ich durchaus zufrieden war. Beim dritten Schlag spürte ich dann während der Ausholbewegung, wie meine Sonnenbrille auf meiner geschwitzten Nase ein Stück nach unten rutschte. Anstatt den begonnenen Schwung abzubrechen und die Konzentration noch einmal neu aufzubauen, setzte ich ihn fort. Der Ball traf die Lochkante an der rechten Seite und lief dann hinter dem Loch noch gute 60 cm aus. Erstaunlicher Weise ärgerte auch das mich nicht besonders, obwohl endlich mal wieder ein Par möglich gewesen wäre. Stattdessen blieb ich locker und schob den Ball mit dem dritten Putt zu immerhin noch 4 Nettopunkten ein. Mein Streichloch auf der 2 war damit punktemäßig wieder ausgeglichen, ich lag genau im Soll.
 
Das 6. Loch ist jenes relativ einfache und nur 284 Meter lange Par 4, auf dem ich vor ein paar Monaten mein erstes und bislang einziges echtes Par auf einem Par 4 Loch gespielt hatte. Mein Abschlag fühlte sich erneut saumäßig gut an und ich war endgültig in diese wunderbaren Mizuno JPX - Bälle verliebt. Der Ball flog genau bis ins Gelenk des Doglegs nach links, auf Höhe der 100 Meter - Markierung. Da die Fahne relativ mittig im Grün stand, hinter selbigem jedoch ein Wasserhindernis lauerte, überlegte ich kurz, ob ich die Entfernung mit meinem 7er oder erneut mit meinem 8er Eisen überwinden wollte. Die Vorsicht behielt die Oberhand und ich entschied mich für den kürzeren Schläger. Wieder traf ich gut, der Ball stieg formvollendet in den Himmel, blieb etwas zu kurz und schließlich etwa 4 bis 5 Meter vor dem Grünhügel liegen. Nun lauerte also die für mich immer größte Herausforderung: Ein kurzer Chip aufs Grün. Bereits unzählige Male hatte ich bei solchen Bällen zittrig agiert und sie entweder nur einen halben Meter oder gleich 20 Meter vorwärts befördert. Nur ab und an hatte ich bislang einen guten Chip geschafft, der eine gute Ausgangsposition für die folgenden Putts versprach. An dieser Stelle des Platzes wurden wir gerade nicht von Insekten belästigt, so dass es immerhin möglich war, sich vernünftig auf den anstehenden Schlag zu konzentrieren.
 
Mit meinem Sand Wedge ging ich in Position, versuchte mir vorzustellen, wo der Ball landen sollte und machte 2 Probeschwünge.  Dann nahm ich meinen Stand ein und versuchte, die Schwierigkeit des Schlages, die Position der Fahne und alles andere zu vergessen und nur den Schwung von eben zu wiederholen als sei der Ball überhaupt nicht da. Das Wedge ging butterweich durch den Ball, der in eine kurze, nicht allzu hohe Flugphase startete, einen guten Meter vor der Fahne auftippte und begann darauf zuzurollen. Ich jubelte bereits innerlich, da ich sehen konnte, dass mir dieser Chip richtig gut gelungen war und dass die Ballage nach dem Ausrollen, voraussichtlich ein paar Zentimeter rechts vom Loch, mir wahrscheinlich einen Putt zum Par erlauben würde. Als der Ball noch ungefähr 20 cm von der Fahne entfernt war, nahm er ein winziges, kaum wahrnehmbares Break nach links an und begann, unmittelbar auf das Loch zuzurollen. Mein Schwager und ich waren wie gebannt. Wir begannen, den Ball anzufeuern. "Ja, noch ein Stück, geh rein!" Und tatsächlich: Der Ball rollte weiter in seinem leichten Linksbogen auf den Flaggenstock zu und kippte mit seiner letzten Umdrehung ins Loch.
 
Ein Birdie.
 
Drei Schläge auf einem Par 4.
 
Noch dazu mein erstes Chip In von außerhalb des Grüns.
 
Mir fehlen die Worte, um zu beschreiben, wie sich dieser Moment anfühlte. Triumph, unbändige Freude, Stolz und Dankbarkeit sind Worte, die alle mit diesem Gefühl zu tun hatten, es aber dennoch nur unzureichend wiedergeben können. Für eine Sekunde herrschte völlige Stille, während der Ball mit einem leisen Klappern im Loch zur Ruhe kam. Dann riss ich die Arme in die Luft und stieß einen Freudenschrei aus, bei dem ich völlig vergaß, dass sich andere auf dem Platz befindliche Golfer - egal auf welchem Loch und wie weit entfernt sie möglicher Weise gerade spielten - sich dadurch vielleicht gestört fühlen könnten. Ich drehte mich mit erhobenen Armen zu meinem Schwager um, der bereits jubelnd auf mich zukam und wir umarmten uns.
 
Mir ist bewusst, dass mir so etwas vermutlich ein paar Jahre lang nicht mehr passieren wird aber das ist egal. Auch wenn ich 100 Jahre alt und dabei dement werden sollte - dieser Augenblick wird für immer in meinem Gedächtnis bleiben. Ich war eins mit der Welt, eins mit der Natur, die mich umgab, eins mit meinem Schwager, mit dem ich mich in diesem Augenblick noch verbundener fühlte als ohnehin schon und vor allem eins mit mir selbst - ein Gefühl vollkommenen Glücks.
 
Das mein Schwager sich so aufrichtig mit mir freuen konnte, obwohl er selbst an diesem Tag wieder eine für seine Verhältnisse sehr schlechte Runde spielte, sagt mehr über seinen Charakter aus als ich es mit vielen Worten ausdrücken könnte. Man darf sich glücklich schätzen, wenn man einen solchen Menschen in der Familie, zum Freund und zum Golfpartner hat!
 
Von nun an war es mir egal, was auf der restlichen Runde passieren würde, diesen Tag konnte mir niemand mehr verderben. Noch mehr als zuvor genoss ich die wunderbare Umgebung und wurde mir der Besonderheit sehr bewusst, ein Leben zu führen, dass mir solche Erlebnisse ermöglicht. Ich muss sehr aufs Geld sehen und bin von daher kein typischer Golfer, denn die sind - Breitensport hin oder her - in der Regel gut situiert und müssen sich über ein paar hundert Euro hier oder da keine Gedanken machen. Aber ich bekomme es hin, regelmäßig eine Runde spielen zu können und das ist vermutlich mehr als 90% der übrigen Menschheit könnten. Dieses Privileg und die damit verbundene Dankbarkeit fühlte ich an jenem Abend sehr deutlich.
 
Mein Abschlag auf der 7, derjenige, der über den großen Teich muss (nein, nicht den nach Amerika), kam ob meiner Freude und Lockerheit perfekt und ich stellte schon wieder einen neuen Abschlagrekord auf. Dass ich danach ins Rough und insgesamt eher fahrig schlug und so am 7ten mein zweites Streichergebnis hinnehmen musste, war schade, konnte aber meine Freude an diesem Abend natürlich nicht mehr trüben. Das Par 5 auf der 8ten Bahn schloss ich mit 8 Schlägen ab und notierte wunschgemäße 2 weitere Nettopunkte dafür. Fast wären es 3 geworden aber mein zweiter Putt blieb leider unmittelbar an der Lochkante liegen. Sei´s drum.
 
Auf dem abschließenden Par 3 geriet mein Abschlag mit dem 8er Eisen erneut - wie schon oft bei den letzten Runden - etwas zu kurz und zu weit nach rechts. Einen Chip - der wieder schlecht getroffen war und den Ball über die Fahne hinaus und bis an den hinteren Rand des Grüns schubste - und zwei Putts später war der Ball trotzdem im Loch und ich konnte noch einmal abschließende 4 Nettopunkte verbuchen.
 
Dank der unglaublichen 6 Nettopunkte vom 6. Loch lag ich daher abschließend, trotz zweier Streichergebnisse, bei 22 Nettopunkten, einer Einstellung meiner bisher höchsten Punktzahl auf diesen 9 Löchern. Beim ersten Mal hatte ich dabei allerdings nur 1 Streichloch zu verbuchen gehabt, so dass es im Grunde doch wieder eine kleine Steigerung darstellte.
 
Mein Schwager hatte für ihn enttäuschende 13 Nettopunkte erspielt, hatte die Runde aber dennoch offenkundig sehr genossen. Wir errechneten die Punkte für diese Runde beim abschließenden, obligatorischen Radler auf der Terrasse des Clubs und genossen dabei noch einmal den Ausblick über den stillen Platz in der Abendsonne.
 
Auf der Fahrt nach Hause sprachen wir natürlich über die Runde, hatten aber auch viele stille Momente als wir die großartigen Momente, die das gemeinsame Golfspiel uns beschert und insbesondere die Besonderheiten dieses Abends revuepassieren ließen. Die passende Untermalung dazu bildete die wunderbar entspannte und entspannende Musik von Jack Johnson, der mir bis dahin vollständig unbekannt gewesen war.
 
Ausklingen ließen wir den Tag dann auf meiner Couch, mit einem Whiskey Sour und einem Film.
 
Wenn ich es mir aussuchen dürfte - so könnte mein Leben die nächsten 100 Jahre oder so weitergehen...
 
 
 


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